Wolf
Wolf lat. Canis lupus;       Familie: Hundeartige;      Ordnung:  Raubtiere;     Klasse: Säugetiere

Innerhalb der Familie der Haushundeartigen treffen wir wohl kaum auf einen Vertreter, der eine höhere Anpassungsfähigkeit in bezug auf seinen Lebensraum und die Lebensbedingungen zeigt als der Wolf. Schon aus seinem ursprünglich riesigen Verbreitungsgebiet auf der Nordhalbkugel  von der Arktis bis in die gemäßigten und trockenen, teilweise auch tropischen Gebiete geht seine bemerkenswerte innerartliche Variabilität hervor, die etliche Forscher veranlaßte, für die paläarktisch-indische Region 11 und für den nordamerikanischen Subkontinent 24 Unterarten des Wolfes zu beschreiben. Wenngleich auch die Existenz einer derartig großen Zahl von Subspecies nicht unumstritten ist, so zeigt schon ihre Aufstellung , zu welch vielfältigen Variationen der Wolf imstande ist.
 

Gestalt
So ist die Beschreibung seines Aussehens auch ein sehr schwieriges Unterfangen, das nur innerhalb gewisser Schwankungsbreiten angegeben werden kann. Die Gestalt ist typisch hundeartig mit einer Schulterhöhe von 50–100 cm, wobei die Männchen in der Regel größer werden als die Weibchen. Die Fellfärbung variiert von Weiß bis zu reinem Schwarz. Der »normale« Grauwolf erhält seine Farbe durch ein mehr oder weniger homogenes Gemisch aus weißen, schwarzen und braunen Grannenhaaren. Häufig treten auch zimt- bzw. sandfarbene Formen auf. Die Unterseite einschließlich der Kehle ist stets heller als die übrige Körperfärbung. Der schlanke Rumpf sitzt auf langen Gliedmaßen und endet in einer ca. hochtief, HochTief, 1;3} der Körperlänge messenden Rute.
 

Verbreitung und Rassen
Aus seinem ursprünglich unermeßlichen Verbreitungsgebiet wurde der Wolf bis auf letzte kleine Gebiete weitgehend vertrieben, wobei etliche Unterarten für immer ausgerottet wurden.
Ansonsten finden wir heute nur noch in Rußland, Alaska und Kanada in menschenarmen, unkultivierten Landschaften nennenswerte Wolfsbestände. Reste mit wenigen Einzeltieren befinden sich in den Pyrenäen, den Abruzzen und in Skandinavien. Einige etwas größere Rudel leben noch in Osteuropa und den USA

Verbreitungsgebiet des Wolfes






Sozialleben
Die Lebenseinheit des Wolfes, das Rudel, ist eine der im Tierreich am höchsten entwickelten sozialen Organisationsformen, die wir kennen. Die Größe eines derartigen Rudels ist abhängig von der Beutetierdichte und -größe sowie von der Jahreszeit. Da von einem Rudel als soziale Versorgungseinheit alle Mitglieder, auch die nicht selbst jagenden, versorgt werden, wird eine maximale Mitgliederzahl von 10 Tieren in der Regel nur sehr selten überschritten. Normalerweise bestehen die Sommerrudel aber im Durchschnitt aus höchstens 5–8 Mitgliedern. Im Winter vereinigen sich häufig mehrere kleinere Rudel zu einem großen, das sich im Frühjahr wieder auflöst. Diese Sommer- und Winterrudelbildung bestimmt auch den Zeitpunkt der Wiederherstellung des sozialen Verbandes, d. h. die neuerliche Bildung der sozialen Rangordnung.

Im Wolfsrudel, gleich welche Kopfzahl es enthält, existieren 2 getrennte soziale Rangordnungen, eine für die Männchen und eine für die Weibchen. Diese werden in teilweise heftigen Rangordnungskämpfen ausgefochten und bleiben dann in der Regel für das nächste Halbjahr stabil. Erster Auslesefaktor für die Erlangung eines bestimmten Platzes innerhalb der Sozialordnung ist die körperliche Stärke des Individuums. Weiterhin spielen aber auch »Freundschaften« zu ranghohen Tieren oder die Tatsache, ob man Junge führt oder nicht, eine Rolle. Nach den Rangordnungskämpfen bleibt einem Unterlegenen häufig nur die Flucht, um sein Leben zu retten. Nach vollzogenen Rangauseinandersetzungen können diese Individuen jedoch meist in das Rudel zurückkehren, müssen sich aber mit den niedrigsten Rangplätzen zufriedengeben.

Keinerlei Schonung gewähren sich kämpfende Wölfe, die unterschiedlichen Rudeln angehören. Hier gilt die Devise »Sieg oder Flucht«, eine Schonung des Gegners in Form einer angeborenen Beißhemmung ist in derlei Auseinandersetzungen nicht vorhanden. Derartige für alle Mitglieder mehr oder weniger gefährliche Kämpfe bilden die Ausnahme des normalen Rudellebens, denn oftmals bleibt der Kern einer Gemeinschaft über Jahre zusammen. In diesem Falle bleiben die Rangauseinandersetzungen auf das Notwendigste beschränkt. Jetzt herrscht ein friedlich-freundliches Miteinanderleben, in dem Meinungsverschiedenheiten durch die unterschiedlichsten Zeremonielle auf friedlichem Wege beiseite geräumt werden.

Wichtigster Ordnungsfaktor sind die beiden ranghöchsten Tiere, die man auch als Alpha-Tiere bezeichnet. Alpha-Männchen und Alpha-Weibchen bilden das Kernpaar des Rudels. Sie zeigen das umweltsicherste Verhalten mit aufrechtem Gang, hochgestelltem oder sogar über die Rückenlehne erhobener Rute. Vor ihnen zeigen sich bei Unstimmigkeiten die anderen Tiere in Defensiv- oder gar Demutshaltung. Dabei ist ihr Körper je nach dem Grad der Unterlegenheit leicht bis tief geduckt, die Ohren seitwärts oder gar nach hinten gelegt, und die Rute hängt nach unten, ist zwischen die Beine geklemmt oder gar unter den Bauch gezogen. Bei tätlichen Übergriffen des ranghöheren Tieres wirft sich der Rangniedere meist auf den Rücken, uriniert häufig ein wenig und gestattet dem Überlegenen Harn- und Genitalkontrolle. In der Regel wird der Ranghohe keine aggressiven Übergriffe auf den Unterlegenen unternehmen, sondern sich abwenden, das Bein heben und seine Urinmarke gegen einen Baum oder ähnliches spritzen. Ähnlich verläuft eine Auseinandersetzung zwischen 2 Weibchen, wenngleich hier häufiger kleinere Beißereien an der Tagesordnung sind. Mitunter flüchtet sich dann ein unterlegenes Weibchen zu einem ranghohen Rüden und findet dort Schutz.
 

Lautgebung 
Besondere soziale Bedeutung mit einem stark befriedigenden Charakter besitzt das Heulen der Wölfe, das in der Rudelgemeinschaft als gemeinsames Chorheulen vollzogen wird. Den einzelnen Wölfen dient das Heulen, das durchaus nicht so dumpf und schaurig klingt, wie dies oft in Erzählungen überliefert wird, sondern erstaunlich modulationsfähig und melodiös ist, als Fernkommunikationsmittel auf der Jagd und zur Wiederauffindung des Rudels. Auch bei der Zusammenfindung der einzelnen Sommerrudel zum größeren Winterverband übernimmt das Heulen eine wichtige Aufgabe. Schwieriger wird es bei der Deutung des Chorheulens. Es übt innerhalb des Verbandes eine derartige Anziehungskraft aus, daß innerhalb weniger Augenblicke die ganze Meute in die Heulstrophen eines Tieres einstimmt. Einmütig sitzen dann die Mitglieder des Rudels nebeneinander, teilweise stehen sie dort, wo sie gerade etwas anderes unternommen haben, richten ihre Schnauze gegen den Himmel, ziehen die Mundwinkel weit nach vorn und lassen die lang ausgezogenen, fein moduliert auf- und abschwingenden Heulstrophen ertönen. So plötzlich und ohne ersichtlichen Anlaß das Chorheulen begonnen hatte, endet es auch wieder, und die Rudelmitglieder laufen nun freudig erregt umeinander herum, belecken sich winselnd die Schnauzen und sind im ganzen in freudiger, spielerischer Stimmung. Neben diesem Heulen verfügen die Wölfe noch über verschiedene andere Lautgebungen, die vom Knurren, Grollen und Winseln bis zum Wuffen und Bellen reichen. Keine dieser Lautgebungen hat aber auch nur annähernd die soziale Funktion, wie sie dem Chorheulen zukommt.
 

Fortpflanzung
Im Frühjahr nach der Sommerrudelbildung und der Rangordnungsstabilisierung beginnt die Brunst- oder Ranzzeit der Wölfe. Innerhalb des Rudels gelangen nur die ranghohen Tiere in die Stimmung und wahrscheinlich auch physiologische Lage, brünstig zu werden. Jetzt bemüht sich der Rüde in besonderem Maße um sein Weibchen und behandelt es geradezu zärtlich. Ständiger Körperkontakt vertieft die Bindung zum Partner, bis das Weibchen schließlich Anfang April für etwa 1 Woche deckwillig wird. Jetzt umtänzeln sich die Geschlechtspartner und richten sich häufig aneinander hoch, indem sie sich auf die Hinterbeine stellen und dem Partner die Vorderbeine auf die Schultern legen. Dieser sogenannte »Hochzeitstanz« ist ganz besonders wichtig, denn ohne ihn kommen bei weitem weniger Paarungen zustande als mit ihm. Nach diesem »Hochzeitstanz« und nach ständigem Beriechen und Belecken der weiblichen Anogenitalregion durch den Rüden nimmt das Weibchen seinen Schwanz beiseite und fordert so den Rüden zum Besteigen auf. Nach der Kopulation und dem bei den Hunden üblichen »Hängen« (Haushunde) laufen die Partner freudig-freundlich umeinander und suchen ständigen Kontakt. Während der 1 Woche der Hochranz wiederholt sich dieses Paarungsspiel mehrere Male pro Tag. Früher nahm man an, daß sich innerhalb eines Rudels nur das Alpha-Weibchen mit dem Alpha-Rüden verpaaren darf. Nach vielen neueren Beobachtungen ist diese Ansicht heute nicht mehr haltbar, sondern es scheinen sich in der Tat mehrere Rüden mit einer Fähe zu paaren. Auch wird nicht grundsätzlich nur das Alpha-Weibchen heiß, sondern man beobachtet durchaus mehrere führende Weibchen innerhalb einer Gruppe, die auch deutlich ein Gesäuge ausgebildet haben.

Nach etwa 62 Tagen Tragzeit bringen die Weibchen 4–7 Junge zur Welt, nachdem sie sich sorgsam einen Bau ausgesucht oder selbst gegraben haben. Die Jungen werden blind und mit spärlichem Babyhaar geboren. Nach 10–15 Tagen öffnen sie die Augen und werden etwa 10 Wochen lang gesäugt. Von Geburt an beteiligt sich der Vater an der Aufzucht der Jungen und der Nahrungsbeschaffung für die Mutter. Oft bewohnt er dieselbe Höhle, in der auch das Weibchen mit den Jungtieren lebt. Sobald die Jungen auch feste Nahrung zu sich nehmen, beteiligt sich das ganze Rudel an der Beschaffung der Beute. Das Fleisch wird dann in der Regel leicht vorverdaut vor den Jungen ausgewürgt. Nach der Entwöhnung der Welpen geht die Mutter mit der übrigen Meute auf die Jagd und überläßt ihre Kinder einem jüngeren Weibchen, das als »Tante« eventuell auch noch von anderen Weibchen vorhandene Jungen betreut. Dafür wird sie, wie auch die Jungen, vom Rudel mit Nahrung versorgt. Futterneid ist (im Gegensatz zu den Schakalen) im Wolfsrudel eine seltene Randerscheinung. Jungtiere besitzen ohnehin eine Art »Narrenfreiheit«, so daß sie und ihre Mütter, aber auch schwache Tiere, als erste zum Futter gelassen werden.
 

Ernährung
Auch die Jagd, die vornehmlich auf größere Huftiere wie Elch, Ren, Hirsch und Wildschaf ausgerichtet ist, findet im sozialen Verband statt. Bei Beutetieren dieser Größe wäre dem körperlich teilweise sehr viel kleineren Wolf in einer Einzeljagd auch kein Erfolg beschieden. In nahezu genialer Arbeitsteilung jagen die Wölfe als reine Hetzjäger abwechselnd ihre Beute, die sie zuerst aus dem Herdenverband abzusprengen trachten. Ist ein Wolf mit seiner Kraft am Ende, ersetzt ihn sofort der nächste in der Führungsposition, der sich bisher im Nachfeld geschont hat und nun mit voller Kraft die Verfolgung fortsetzen kann. Wenn möglich treiben sich die Wölfe die Beute gegenseitig zu. Schließlich springt einer oder mehrere das Beutetier von der Seite an und versucht es durch einen Kehlbiß zu töten. Die unheimlich kraftvollen Brechscheren des Wolfsgebisses können dabei einen Druck von über 15 kg/cm² ausüben und sind so ohne weiteres in der Lage, den Oberschenkel eines erwachsenen Elchs glatt durchzubeißen. Normalerweise fallen den Wölfen bei ihrer Jagd kranke oder alte Tiere zum Opfer, da diese zuerst aus dem Herdenverband ausscheren. Damit trägt der Wolf seinen Teil zur natürlichen Gesunderhaltung der Paarhuferbestände bei.

Bei der Jagd wie auch im normalen Rudelleben bleibt unbedingt zu berücksichtigen, daß in einem Wolfsrudel ein sogenannter »Leitwolf« nicht existiert. Wölfe rennen nicht blind wie eine Schaf- oder Rinderherde hinter einem »Leittier« oder »Führer« hinterher, sondern sie besitzen eine angeborene »Einsicht« für die Notwendigkeit dieser oder jener Handlungsweise. Ihr Handeln innerhalb des Sozialverbandes wird also nicht bestimmt durch ein »Leittier«, sondern liegt völlig bei jedem einzelnen Individuum und seinem angeborenen oder erlernten Verhaltensrepertoire. Aus diesem Grund sollte man in bezug auf Wölfe den Begriff »Leittier« durch »Alphatier« ersetzen und sich über die Aufgaben dieses Alphatieres, das lediglich das umweltsicherste Mitglied des Verbandes ist, klarwerden. Die Aufgaben dieses Tieres liegen sehr viel mehr im Bereich der Sicherung des Rudels nach außen, als in der Reglementierung der Mitglieder innerhalb der Gruppe.

Wolfsfurcht
Der Mensch hat den Wolf gnadenlos verfolgt, wo immer er seiner habhaft werden konnte. Bezeichnenderweise gingen die Wolfsjagden nie von den Ureinwohnern der entsprechenden Verbreitungsgebiete aus, sondern von »zivilisierten« Zuwanderern. Auch heute noch kann man feststellen, daß die Angst vor den Wölfen mit der Nähe zu den Tieren abnimmt. Befragt man zum Beispiel die Bevölkerung der Abruzzen, so stellt man fest, daß die Gruppen, die am höchsten in den Bergen, also den Wölfen am nächsten beheimatet sind, die geringste Furcht vor den Wildhunden haben. Trotz intensiver Umfragen konnte bis heute auch kein verbürgter Fall festgestellt werden, daß ein gesunder Wolf einen gesunden Menschen überfallen oder gar getötet hätte.

Der Wolf erfüllt im Haushalt der Natur die wichtige Aufgabe der Regulierung des Bestandes der größeren Pflanzenfresser wie Elch und Hirsch. Nicht umsonst gibt es ein altes russisches Sprichwort, das sagt: »Wo der Wolf lebt, wächst der Wald.«